Inhaltsverzeichnis

Was verstehen wir unter Nähe- und Distanzverhalten?

Unser Nähe- und Distanz­ver­hal­ten besteht aus unse­ren natür­li­chen Bedürf­nis­sen nach Ver­bun­den­heit und Auto­no­mi­tät. Es beschreibt den dyna­mi­schen Pro­zess im Rah­men von Bezie­hun­gen. 

Bezie­hun­gen sind immer von zwei ent­ge­gen­ge­setz­ten Polen bestimmt. Die eine Kraft stellt Nähe und Ver­bind­lich­keit zwi­schen den bei­den Part­nern her und die ande­re ist auf Unab­hän­gig­keit und Auto­no­mie aus­ge­rich­tet. Eine Ener­gie ist bin­dend und die ande­re lösend. 

Erfüll­te Bezie­hun­gen pen­deln zwi­schen Nähe und Distanz.

In erfüll­ten Bezie­hun­gen sind die­se Pole rela­tiv aus­ge­gli­chen und pen­deln zwi­schen Nähe und Distanz. Sie wer­den meist schon von Beginn an fest­ge­legt und machen die Bezie­hung leben­dig.

Je nach­dem in wel­cher Lebens­pha­se wir uns gera­de befin­den, ver­än­dern sich auch unse­re Bedürf­nis­se, die wir zum Glück­lich­sein in Bezie­hun­gen benö­ti­gen.

Unse­re Per­sön­lich­keit ent­wi­ckelt sich ein Leben lang wei­ter und somit auch unse­re Bezie­hungs­dy­na­mik.

Nähe und Distanz in der Verliebtheitsphase 

In der Anfangs­zeit einer Bezie­hung ver­brin­gen wir meist sehr viel Zeit mit­ein­an­der, was sich nach ca. 6 – 12 Mona­ten am Ende der Ver­liebt­heits­pha­se oft­mals regu­liert.

Die Rea­li­tät kehrt zurück und erst dann zeigt sich, ob die Bezie­hung wirk­lich Bestand hat und die wah­re Lie­be beginnt.
Des­halb ist die­se Pha­se so wich­tig, um her­aus­zu­fin­den, ob die­ser Mensch wirk­lich zu einem passt.

Das Nähe- und Distanz­ver­hal­ten macht sich schon in der Ver­liebt­heits­pha­se bemerk­bar.

Nähe- und Distanzverhalten in der Verliebtheitsphase

6 Fragen für die Basis einer Beziehung

  • Was ist mir wirk­lich wich­tig in einer Bezie­hung?
  • Passt der Part­ner zu mei­nen Wün­schen und Wer­ten?
  • Hat mein Part­ner ähn­li­che Vor­stel­lun­gen von einer Bezie­hung?
  • War­um möch­te ich gera­de mit die­sem Men­schen mei­ne Zeit ver­brin­gen?
  • Haben wir gemein­sa­me Zie­le?
  • Teilt mein Part­ner mei­nen Wunsch nach Nähe und Distanz?

Wenn Du bei­spiels­wei­se ein gro­ßes Bedürf­nis nach Nähe hast, ist ein domi­nan­ter und frei­heits­lie­ben­der Part­ner eher nichts für Dich.

Durch Kom­mu­ni­ka­ti­on und akti­ves Zuhö­ren kön­nen wir her­aus­fin­den, was uns wirk­lich wich­tig ist.

12 Fragen für mehr Nähe in der Beziehung

  • Kom­mu­ni­ziert Ihr Eure Bedürf­nis­se?
  • Sprecht Ihr offen mit­ein­an­der?
  • Schafft Ihr Euch gemein­sa­me Ritua­le?
  • Gebt Ihr Euch gegen­sei­tig Frei­räu­me?
  • Lebt Ihr gemein­sa­me Inter­es­sen?
  • Wel­che Men­schen sind Euch wich­tig?
  • Begeg­net Ihr Euch respekt­voll?
  • Ver­mei­det Ihr Vor­wür­fe und Ankla­gen?
  • Wel­che Inter­es­sen sind für Euch essen­zi­ell?
  • Sprecht Ihr über Eure Gefüh­le?
  • In wel­chen Pha­sen seid ihr beson­ders nähe bedürf­tig?
  • Wie viel Zeit braucht Ihr für Euch?
  • Wel­che Prio­ri­tät nimmt der Part­ner ein?

Dafür ist es wich­tig, sich selbst und den Part­ner immer wie­der neu zu reflek­tie­ren und im gemein­sa­men Aus­tausch zu blei­ben.

Wenn sich die Bezie­hung nach der Anfangs­pha­se ein­fach nicht ver­tie­fen will oder einer der Part­ner unver­bind­lich bleibt, kann dies ein Anzei­chen von Bin­dungs­angst sein.

Ler­ne Dich selbst bes­ser ken­nen und ver­ste­hen.

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Nähe und Distanz in unterschiedlichen Lebensphasen

Das Ver­hält­nis von Nähe und Distanz vari­iert und bleibt nicht sta­tisch. Ein­stel­lun­gen und Vor­stel­lun­gen ändern sich, wir ent­wi­ckeln uns.

Das Aus­pen­deln die­ser bei­den Gegen­po­le fin­det immer wie­der neu auf gesun­de Art und Wei­se statt. Das ermög­licht unser Wachs­tum und auf part­ner­schaft­li­cher Ebe­ne ech­te Co-Krea­ti­on, ein gemein­sa­mer Rei­fungs­pro­zess als Paar.

Jun­ge Men­schen benö­ti­gen häu­fig mehr Frei­räu­me für Ihre Selbst­fin­dung. In der dar­auf­fol­gen­den Pha­se steht oft der Wunsch nach Ver­bind­lich­keit wie Kin­der­wunsch, Hei­rat oder gemein­sa­me Woh­nung im Vor­der­grund.
Nach Schick­sals­schlä­gen kann der Wunsch nach Nähe und Gebor­gen­heit stär­ker aus­ge­prägt sein.

Jede Ver­än­de­rung bedeu­tet, dass sich der Part­ner mit ver­än­dert, damit die Bezie­hung wei­ter “funk­tio­niert”.

Wenn nur ein Part­ner das Enga­ge­ment für per­sön­li­ches Wachs­tum mit­bringt und der ande­re sich wünscht, dass alles so blei­ben soll wie es ist, wird die­ser Part­ner sich frü­her oder spä­ter tren­nen.

Tren­nun­gen sind grund­sätz­lich nor­mal und wich­tig. Wir durch­lau­fen unter­schied­li­che Lebens­pha­sen und benö­ti­gen ande­re Men­schen für unser Wachs­tum in ver­schie­de­nen Lebens­be­rei­chen.

Ich ver­glei­che das Leben gern mit einem Zug. Men­schen stei­gen ein, fah­ren eine Zeit lang mit uns mit und stei­gen irgend­wann wie­der aus.
Die einen ver­brin­gen eine län­ge­re Zeit mit uns, ande­ren fah­ren nur zwei Hal­te­stel­len mit und ver­las­sen den Zug dann wie­der.

Nähe- und Distanzverhalten eine Frau, die am Zug steht

Wich­tig ist, dass bei­de Part­ner Ihren eige­nen Lebens­weg ver­fol­gen, sich gegen­sei­tig den Frei­raum las­sen, sich zu ent­fal­ten und ihre Unter­schie­de als Berei­che­rung sehen.

Gehen die Unter­schie­de ver­lo­ren, fin­det kei­ne Ent­wick­lung mehr statt.

Tipp zum Wei­ter­le­sen: Erfüll­te Bezie­hun­gen

Wenn zu viel Unab­hän­gig­keit und Unver­bind­lich­keit da sind, dann set­zen wir uns nicht mehr wirk­lich mit dem Part­ner aus­ein­an­der.

Her­aus­for­de­run­gen wer­den nicht ange­nom­men und die­se Men­schen befin­den sich dann häu­fig in kur­zen, wech­seln­den Paar-Bezie­hun­gen, in denen sich die The­men stän­dig wie­der­ho­len.

Die­se Men­schen spre­chen dann davon, sich nicht „ver­bie­gen“ zu las­sen. Dabei wird meis­tens über­se­hen, dass sie anste­hen­den Wachs­tums­schrit­ten aus dem Weg gehen. Dahin­ter steckt oft ein ambi­va­len­tes Bin­dungs­ver­hal­ten.

In die­sem Zusam­men­hang kom­men häu­fig Äuße­run­gen, dass die Frau­en oder Män­ner „nun mal so sind“ oder „alle gleich“ oder sie „immer an den/die Fal­schen gera­ten“.

Sei mutig, über­neh­me Dei­ne Selbst­ver­ant­wor­tung und ler­ne Dich selbst bes­ser ken­nen und ver­ste­hen.

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Vergangene Erfahrungen zu Nähe und Distanz

Oft erle­ben Men­schen in der Kind­heit ein Ungleich­ge­wicht die­ser bei­den Grund­be­dürf­nis­se. Sie wer­den zu sehr ver­ein­nahmt (Wunsch nach Distanz) — oder sie hat­ten das Gefühl, sich oft allein zu füh­len, dann kann es sein, dass sie spä­ter in Bezie­hun­gen zum „klam­mern“ nei­gen (Wunsch nach Nähe).

Tipp zum Wei­ter­le­sen: Die 4 Bin­dungs­ty­pen

Wenn wir in ver­gan­ge­nen Bezie­hun­gen das Gefühl hat­ten, uns ein­ge­engt zu füh­len, wer­den wir oft­mals in der neu­en Lie­bes­be­zie­hung eher nach Frei­raum suchen. Gab es Lügen, seh­nen wir uns nach Nähe und Ver­bun­den­heit.

Gleichgewicht zwischen Nähe und Distanz herstellen

In jeder Pha­se einer Bezie­hung ist es wich­tig, dass bei­de Part­ner ein­an­der aktiv zuhö­ren und mit­ein­an­der kom­mu­ni­zie­ren.

Hier fin­dest Du 100 Fra­gen für mehr Nähe in Dei­ner Bezie­hung:
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Anzeichen für mehr Nähe oder Distanz

16 Anzeichen für das Bedürfnis nach Nähe

  • Kon­takt wird gesucht
  • Wunsch nach Ver­bin­dung
  • Gemein­sa­me Zeit ver­brin­gen
  • Wunsch nach emo­tio­na­ler Nähe
  • Das Bedürf­nis nach Aner­ken­nung
  • Suche nach Ver­bun­den­heit und Gemein­sam­kei­ten
  • Wunsch nach Berüh­run­gen oder kör­per­li­che Nähe
  • Auf­rich­ti­ges Inter­es­se am Part­ner
  • Leb­haf­te Kom­mu­ni­ka­ti­on
  • Das Anlie­gen gemein­sam zu tei­len
  • Der Wunsch nach gegen­sei­ti­ger Unter­stüt­zung
  • Posi­ti­ve Erin­ne­run­gen schaf­fen
  • Sich gegen­sei­tig wahr­haf­tig sehen, hören und füh­len
  • Kör­per­li­che Nähe zulas­sen
  • Unge­teil­te Auf­merk­sam­keit schen­ken und akti­ves Zuhö­ren
  • Dem Part­ner mit Respekt begeg­nen

15 Anzeichen für das Bedürfnis nach Distanz

  • Zeit für sich selbst haben
  • Die Bit­te nach Frei­raum
  • Per­sön­lich­keits­merk­ma­le wol­len gelebt wer­den
  • Zeit für Selbst­re­fle­xi­on
  • Kör­per­li­che Ent­fer­nung vom Part­ner
  • Wunsch nach Ver­än­de­rung oder Neu­aus­rich­tung
  • Gele­gen­heit für eige­ne Inter­es­sen
  • Zeit­raum für Ent­wick­lung und Wachs­tum
  • Pha­sen der Ruhe und Klar­heit
  • Emo­tio­na­le The­men zuerst mit sich selbst aus­ma­chen
  • Freund­schaf­ten pfle­gen oder neue Freund­schaf­ten knüp­fen
  • Per­sön­li­che Wei­ter­ent­wick­lung
  • Los­las­sen der Ver­gan­gen­heit
  • Impul­sen fol­gen und neue Erfah­run­gen machen
  • Ent­wick­lung neu­er Ideen 
Nähe- und Distanzverhalten: über Bedürfnisse sprechen

Über Bedürfnisse sprechen

Eine erfüll­te Bezie­hung braucht Aus­tausch und Nähe.
Per­sön­li­che Ent­wick­lung und Selbst­ent­fal­tung benö­tigt Zeit.
Men­schen haben unter­schied­li­che Wün­sche und Bedürf­nis­se.
Sprecht dar­über und zieht Euch nicht wort­los zurück. Bezie­he den Partner/in mit ein, damit er weiß wo Du aktu­ell stehst.

Der Wunsch nach Distanz bedeu­tet nicht, dass die Bezie­hung in Fra­ge gestellt wird. Distanz löst anschlie­ßend wie­der ein Bedürf­nis nach Nähe aus.

Bringt Eure Bedürf­nis­se mit­ein­an­der in Ein­klang. Wenn Du Dei­nen Part­ner an Dei­nen Wün­schen teil­ha­ben lässt, ent­steht emo­tio­na­le Nähe.

Wenn Du wesent­li­che Berei­che Dei­nes Lebens aus­klam­merst oder Dich nicht für die Vor­lie­ben Dei­nes Part­ners inter­es­sierst, ver­grö­ßerst Du die Distanz.

10 Möglichkeiten der Kommunikation über Bedürfnisse

  • Kom­mu­ni­ziert offen und trans­pa­rent mit­ein­an­der
  • Ver­ein­bart Zei­ten für Nähe und Distanz
  • Seid ehr­lich und zuver­läs­sig: Tun, was Du sagst. Sagen, was Du tust.
  • Ver­ein­bart Zei­chen für den Wunsch nach Nähe oder Distanz
  • Respekt vor den Wün­schen des Part­ners
  • Kla­re Kom­mu­ni­ka­ti­on Eurer Bedürf­nis­se
  • Gemein­sa­me Ent­schei­dun­gen tref­fen
  • Sprecht über Ängs­te zum The­ma Nähe und Distanz
  • Legt Rück­zugs­or­te für jeden fest
  • Tei­le Dei­ne Gefüh­le mit 

Kleiner Auszug meiner Geschichte

Du hast mich gebo­ren
Ich habe Dich aus die­ser Welt hin­aus­be­glei­tet.
Ein unsicht­ba­res Band hat uns ver­bun­den.

Mei­ne tie­fe Dank­bar­keit
für alles was wir zusam­men erle­ben durf­ten. 

Nähe- und Distanzverhalten: Meine Mutter und Nicole

Meine Kindheit

Als Ein­zel­kind wuchs ich auf, obwohl wir guten Kon­takt zu mei­ner Halb­schwes­ter und deren 3 Kin­der hat­ten, die in mei­nem Alter waren. Bei ihnen kamen wir auch für län­ge­re Zeit unter, wenn es mit mei­nem Vater wie­der beson­ders schlimm wur­de. 

Mein Vater war Alko­ho­li­ker und oft aggres­siv und unbe­re­chen­bar. 
Mei­ne Mut­ter hat­te Angst, die Haus­tür zu öff­nen, wenn er abends nach Hau­se kam. Das habe ich dann über­nom­men. Ich kam gera­de mit den Hän­den an die Tür­klin­ke. Ich habe ihn dann ins Wohn­zim­mer beglei­tet und betreut, bis er ein­schlief. Mei­ne Eltern strit­ten viel und waren oft krank. 

Eini­ge Krank­hei­ten im Über­blick:
Mut­ter: Ver­lust des Geruchs­sinns, Gür­tel­ro­se, Migrä­ne, Par­odon­to­se, Sko­lio­se, Schild­drü­sen­ent­fer­nung, Hand­ek­ze­me (offe­ne Hän­de), grau­er Star

Vater: Ket­ten­rau­cher, Rau­cher­bein, Ampu­ta­ti­on des Bei­nes, Alko­ho­li­ker, Lun­gen­krebs, Hämor­ri­den

Das hat­te zur Fol­ge, dass ich nie mit dem Rau­chen begon­nen habe (aus­pro­biert ja). Mit Alko­hol habe ich Erfah­run­gen gemacht und heu­te trin­ke ich eher wenig, ca. 1–2x Alko­hol im Monat. Ich hat­te die übli­chen Kin­der­krank­hei­ten und ein­zi­ge ernst­haf­te Krank­heit war ein Pro­lak­ti­nom, wes­halb ich nicht schwan­ger wer­den konn­te (seit 4 Jah­ren geheilt).

Da ich ein begeis­te­rungs­fä­hi­ger, lie­be­vol­ler Mensch mit sehr viel Power und aktiv geleb­ter Sexua­li­tät bin, die sich ja auch wei­ter­ent­wi­ckelt — habe ich mei­nen Män­nern in Bezie­hun­gen immer Sicher­heit ver­mit­telt. Der “Fels in der Bran­dung”, wie einer oft sag­te. Die Män­ner lie­gen mir beson­ders am Her­zen.
Wenn es kei­ne gemein­sa­me Wei­ter­ent­wick­lung mehr gab, trenn­ten sich unse­re Wege.
Ich bin mit allen ver­gan­ge­nen Part­ner­schaf­ten im Frie­den und war lan­ge Zeit mit eini­gen Expart­nern noch befreun­det.

Mein gro­ßes Selbst­ver­trau­en und der Glau­be an mich selbst haben mich bis­her durch alle Lebens­la­gen navi­giert.

Mei­ne Mut­ter ach­te­te auf gesun­de Ernäh­rung und kauf­te Lebens­mit­tel im Reform­haus oder auf dem Wochen­markt. 
So lern­te ich alles über gesun­de Ernäh­rung.

Von ihr habe ich die Lie­be zum Lesen über­nom­men und wir waren häu­fig in der Stadt­bü­che­rei, um neu­en Lese­stoff zu besor­gen. Gan­ze Tage haben wir dort ver­bracht. Die vie­len Bücher, der Geruch, das alles hat mich fas­zi­niert und ich habe die­sen Ort geliebt.

Als Kind habe ich heim­lich über vie­le Mona­te ein Buch geschrie­ben, was ich vor mei­nen Eltern ver­steckt habe. Es war ein rie­si­ger Packen Din‑4 Sei­ten: Vor­der- und Rück­sei­ten mit der Hand geschrie­ben — ich weiss heu­te nicht mehr, wor­um es ging.

Von mei­nem Vater lern­te ich das Schach- und Fuß­ball­spie­len und wir mach­ten vie­le ver­rück­te Din­ge und lach­ten zusam­men.

Mei­ne Kind­heit war auch beglei­tet von Angst, Trau­er und Tod.
Ich frag­te mich: „War­um ist das so?“ 
Mei­ne Eltern waren das ers­te Paar, was ich coach­te und damals muss­te ich das tun.
Ich stell­te mir vie­le Fra­gen in die­ser Zeit. Und ich fing an zu lesen.

Bereits mit 12 Jah­ren hat­te ich sehr vie­le Bücher über posi­ti­ves Den­ken, Per­sön­lich­keits­ent­wick­lung und Bücher vie­ler bekann­ter Leh­rer, wie Her­mann Hes­se, Eck­hart Tol­le, Eli­sa­beth Küb­ler-Ross, Osho gele­sen, die ich alle unter mei­nem Bett ver­stau­te, denn ich las sehr viel und sehr schnell (4- 5 Bücher pro Woche), mei­ne Mut­ter war jedes Mal erstaunt. Heu­te weiß ich, dass ich hoch-bzw. viel­be­gabt bin, eine Scan­ner-Per­sön­lich­keit.

Mei­ne Mut­ter und ich waren jeden Tag drau­ßen im Wald und auch sonst erkun­de­ten wir sämt­li­che Spiel­plät­ze in der Umge­bung. 

Mit ca. 5 Jah­ren hat­te ich eine Nah­tod-Erfah­rung durch Gewalt­an­wen­dung. Mei­ne Mut­ter konn­te mir in letz­ter Sekun­de hel­fen.
Eini­ge Jah­re spä­ter konn­te ich sie befrei­en und ihr das Leben ret­ten.

Mein Opa, den ich über alles lieb­te, ver­starb in die­ser Zeit nach schwe­rer Krank­heit. 

Ich war sehr dünn und hat­te Unter­ge­wicht. Essen war für mich mit unan­ge­neh­men Erfah­run­gen ver­knüpft, da mein Vater oft psy­chi­sche Gewalt anwen­de­te oder mich schlug, wenn ich etwas nicht moch­te oder auf­aß.

Das war immer schmerz­haft, da er Boxer war und Gegen­stän­de nutz­te, die in der Nähe lagen.
Danach war ich die nächs­ten Stun­den außer Gefecht gesetzt, manch­mal wur­de ich ohn­mäch­tig oder wein­te in mei­nem Zim­mer, oft hat­te ich star­ke Schmer­zen. Mei­ne Mut­ter konn­te mir nicht sofort hel­fen, weil er mei­ne Zim­mer­tür abschloss. 

In der Schu­le wur­de ich gefragt, woher die Ver­let­zun­gen kamen und ich durf­te nie den wah­ren Grund nen­nen.

Ein­mal schlug er mit der Pfan­ne auf mei­ne Mut­ter ein, da ging ich dazwi­schen. Das war nie eine gute Idee, aber ich tat es immer wie­der. 

So lern­te ich schon früh, mich auf mich selbst zu ver­las­sen. Ich fühl­te, dass es einen Ort in mir gibt, der von allem unbe­rührt blieb, was um mich her­um pas­sier­te. Die­ser Ort gab mir Sicher­heit, wenn ich mal wie­der Stu­ben­ar­rest hat­te oder mein Vater mich in mei­nem Zim­mer ein­schloss. Ich ent­wi­ckel­te eine gro­ße Stär­ke aus mir selbst her­aus.

Ich muss­te auf­pas­sen und wuss­te nie, was mich erwar­tet, wenn ich nach Hau­se kam, da die Stim­mung sehr schnell umschlug. So lern­te ich schon früh, sehr acht­sam zu sein.

In den Feri­en fuh­ren wir in den Wan­der­ur­laub nach Öster­reich oder nach Sylt. Ich lieb­te das wan­dern und hat­te immer „Heim­weh“ in die Ber­ge, wenn wir wie­der zurück waren. Von mei­ner Mut­ter habe ich die Lie­be zur Foto­gra­fie geerbt.

Die Sams­ta­ge waren für mich etwas Beson­de­res. Ich ging mit mei­nem Vater in die Innen­stadt bum­meln. Er war bekannt in unse­rer Klein­stadt und wir tra­fen jede Men­ge Men­schen, blie­ben ste­hen, schnack­ten oder ich bekam etwas geschenkt. 

Mei­nen Vater habe ich als sehr groß­zü­gig in Erin­ne­rung. Wir lie­fen Hand in Hand durch die Fuß­gän­ger­zo­ne und ver­schränk­ten dabei die ein­zel­nen Fin­ger mit­ein­an­der. Er sag­te immer: „Damit Du mir nicht ver­lo­ren gehst.“ 

Vor­her gin­gen wir über den Wochen­markt, wo ich 3 Mini-Brat­würst­chen mit Senf bekam. Heu­te esse ich nur noch sel­ten Fleisch.
Danach tra­fen wir uns mit mei­ner Mut­ter beim „Chi­ne­sen“, unse­rem Lieb­lings­re­stau­rant. Das taten wir fast jeden Sams­tag. 

Meine Schulzeit

In der Grund­schu­le war ich noch sehr gut und spä­ter ist mir auf­ge­fal­len, dass ich viel lie­ber ler­ne, wenn die Leh­rer moti­viert sind, ihren Beruf lie­ben und Freu­de an Men­schen und deren Wei­ter­ent­wick­lung haben. Das habe ich so über­nom­men und heu­te sind mei­ne Coa­chings mit­rei­ßend und abwechs­lungs­reich gestal­tet, sowie von Authen­ti­zi­tät geprägt.

Sport, Deutsch, Kunst, Geschich­te, Reli­gi­on und Musik waren mei­ne Lieb­lings­fä­cher.

Mit ca. 7 Jah­ren begann ich, jeden Sonn­tag allein in die Kir­che zu gehen. Mei­ne Eltern waren sehr erstaunt und konn­ten mich auch nicht davon abbrin­gen. Ich kann­te die Kin­der­bi­bel in- und aus­wen­dig und die Kir­che strahl­te irgend­wie Schutz und Sicher­heit auf mich aus. Ich sehe mir auch heu­te noch ger­ne Kir­chen an und zün­de dann Ker­zen für mei­ne Eltern an.

Vor vie­len Jah­ren prak­ti­zier­te ich ca. 8 Jah­re inten­siv den japa­ni­schen Nichi­ren-Bud­dhis­mus der Soka Gak­kai.
Mei­ne Ver­an­stal­tun­gen waren sehr beliebt und es waren teil­wei­se so vie­le Men­schen im Wohn­zim­mer, dass sie auf der Rücken­leh­ne des Sofas Platz nah­men, weil der Fuß­bo­den bereits voll besetzt war.
Heu­te gehö­re ich kei­ner Glau­bens­rich­tung mehr an.

Ich enga­gier­te mich in der Schul­ge­mein­schaft und habe dabei immer mei­nem eige­nen Weg ver­traut. Schon damals war ich „Anfüh­re­rin“, oft Klas­sen­spre­che­rin oder Ver­tre­te­rin und küm­mer­te mich um die Schwä­che­ren.

Ich wuchs haupt­säch­lich mit klas­si­scher Musik auf und jedes Jahr zu Weih­nach­ten gin­gen mei­ne Mut­ter und ich ins Stadt­thea­ter, wo Mozarts Fle­der­maus auf­ge­führt wur­de. Wir waren viel im Thea­ter und spä­ter in der Staa­toper Ham­burg.

Leistungsschwimmen

Mei­ne Mut­ter war dabei, als ich See­pferd­chen mach­te und feu­er­te mich vom Becken­rand aus an. 
Die ande­ren Kin­der lach­ten mich aus, weil ich Angst vor dem „gro­ßen Becken“ hat­te. 
2 Jah­re spä­ter war ich Leis­tungs­schwim­me­rin und da lach­te kei­ner mehr. 

Sie beglei­te­te mich anfangs, wenn ich Schwimm-Trai­ning hat­te und sie war­te­te dort auf mich.
Spä­ter fuhr ich dann allein mit dem Fahr­rad und oft schon vor der Schu­le und abends dann noch­mal.
Don­ners­tag­abend waren wir im Kraft­raum und an den Wochen­en­den hat­te ich Schwimm-Wett­kämp­fe.

Mein Leben bestand in die­ser Zeit fast nur aus Schu­le und Schwim­men und nach eini­gen Jah­ren mach­te mir der Schwimm­sport kei­ne Freu­de mehr. 
Mei­ne Augen waren per­ma­nent gerö­tet vom Chlor­was­ser und mein Trai­ner war sehr streng. Unser Schwimm­stil wur­de auf Video auf­ge­nom­men und bewer­tet. Ich woll­te mit dem schwim­men auf­hö­ren.

Mein Vater war dage­gen, denn ich war talen­tiert und schnell und er war stolz auf mei­ne Leis­tung (bes­te Dis­zi­pli­nen Frei­stil, Rücken- Brust- & Lagen­schwim­men).

Die­se Situa­ti­on wur­de mir zu viel und ich war depri­miert. Mei­ne Mut­ter spür­te das irgend­wann, sprach mit mei­nem Vater und ich durf­te mit dem Schwim­men auf­hö­ren. 

Meine Jugend

Als mein Vater nach jah­re­lan­ger, schwe­rer Krank­heit starb war ich 14 Jah­re alt. Ein hal­bes Jahr spä­ter ver­starb auch mei­ne gelieb­te Oma. 

Ein hal­bes Jahr vor sei­nem Tod, hat­ten wir eine schwe­re Aus­ein­an­der­set­zung, wo er einen Ker­zen­lö­scher nach mir warf, denn er konn­te nicht mehr auf­ste­hen. Sei­ne Wor­te haben mich sehr getrof­fen — viel mehr als der Schlag. Ich fühl­te mich ver­letzt und hör­te auf, mit ihm zu spre­chen.

Eine Woche vor sei­nem Tod zwang mich mei­ne Mut­ter, zu ihm zu gehen und mich zu ent­schul­di­gen. Es war klar, dass er nicht mehr lan­ge leben wür­de. Heu­te bin ich ihr sehr dank­bar dafür. Mein Vater nahm mich in sei­ne Arme und wein­te bit­ter­lich.

Mei­ne Mut­ter erleb­te mit mir mei­ne “ers­te gro­ße Lie­be” und freun­de­te sich mit der Mut­ter mei­nes dama­li­gen Freun­des an. 
In die­ser Zeit lief es schlecht zwi­schen uns, denn sie schlug mich auch und so woll­te ich ein­fach nicht mehr leben, ich woll­te end­lich frei sein. 
Mit 17 Jah­ren zog ich von zu Hau­se aus und sie unter­stütz­te mich finan­zi­ell in die­ser Anfangs­zeit. 

Durch die räum­li­che Tren­nung wur­de unser Ver­hält­nis wie­der bes­ser. Sie war bei jedem mei­ner Geburts­ta­ge dabei, wenn sie nicht gera­de wie­der die Welt bereis­te, was sie viel und häu­fig tat. 

Mei­ne Freun­de schätz­ten sie, such­ten ihre Nähe und besuch­ten sie sogar. Sie war sehr offen und inter­es­siert und trug unglaub­lich viel Weis­heit in sich. 

Nähe- und Distanzverhalten: Meine Mutter in Krempe

New York

2001 flo­gen wir zum zwei­ten Mal zusam­men nach New York. 
Wir wohn­ten bei unse­ren Ver­wand­ten in Queens und waren beim End­spiel der US-Open dabei, was ein Ver­wand­ter orga­ni­sier­te. Auf der After­show-Par­ty lern­ten wir vie­le bekann­te, ame­ri­ka­ni­sche Per­sön­lich­kei­ten ken­nen, was ich damals sehr span­nend fand.

Am nächs­ten Tag waren wir in Down­town, Män­hat­ten und woll­ten hoch auf das Word Trade Cen­ter. Wir aßen unten auf dem gro­ßen Platz zu Mit­tag und stell­ten uns danach in der lan­gen Schlan­ge unten im Gebäu­de an. 
Dann fing an es plötz­lich an zu reg­nen und mei­ne Mut­ter sag­te: „Nico­le, das lohnt sich heu­te nicht, da wir dann oben kei­ne gute Sicht haben. Wir kom­men gleich mor­gen früh wie­der.”
Okay. Gesagt, getan. 

Ich weiß es noch wie heu­te. Ich ging am nächs­ten Mor­gen zum Duschen ins Bad und hör­te mei­ne Mut­ter, die an die Tür klopf­te. Ich wun­der­te mich und als ich dann ins Wohn­zim­mer trat, fand ich mei­ne Mut­ter und mei­ne Tan­te vor dem Fern­se­her wie­der. 

In die­sem Moment krach­te gera­de das zwei­te Flug­zeug in das Word Trade Cen­ter. Ich dach­te erst, das ist ein Film. 
Wir wären eine hal­be Stun­de spä­ter genau dort gewe­sen.

Ich ver­such­te mei­nen Freund zu errei­chen, um ihm zu sagen, dass es uns gut ging. Als er end­lich dran war, wuss­te er noch gar nichts davon. Er rief dann spä­ter zurück und wein­te. Danach brach die Tele­fon­lei­tung kom­plett zusam­men. 

Wir wuss­ten zu dem Zeit­punkt noch nicht, was das für Kon­se­quen­zen hat­te.

Lan­ge Stun­den saßen wir vor dem Fern­se­her, doch es war bes­tes Wet­ter in New York. Und wir brauch­ten Ablen­kung, da unser Rück­flug ja erst in 14 Tagen ging. Also beschlos­sen wir shop­pen zu gehen.

Wir stan­den an der Bus­hal­te­stel­le und war­te­ten auf den Bus. 
Wir muss­ten 3 Bus­se vor­bei­fah­ren las­sen, da sie über­füllt waren mit auf­ge­reg­ten und ruß­be­deck­ten Men­schen, die aus Man­hat­ten kamen. 

End­lich konn­ten wir ein­stei­gen und es war sehr bedrü­ckend, den unter Schock ste­hen­den, teil­wei­se trau­ma­ti­sier­ten Men­schen zu begeg­nen und mit ihnen zu spre­chen. In der Fer­ne sahen wir Rauch­wol­ken über Man­hat­ten auf­stei­gen. 

Ich woll­te mir Turn­schu­he kau­fen und so check­ten wir in ein rie­si­ges Ein­kaufs­cen­trum ein, wo ich diver­se Turn­schu­he anpro­bier­te. 

Plötz­lich eine Stim­me über mir. 
Ich rich­te­te mich auf und sah den bis dato attrak­tivs­ten Mann vor mir ste­hen. Ein Cop in Uni­form mit mus­ku­lö­sen Armen und bestimmt zwei Meter groß.

Er wie­der­hol­te sei­ne Fra­ge, woher ich kom­me und frag­te dann, ob er mir die Stadt zei­gen dürf­te. Ich lehn­te ab. 
Wenig spä­ter kam er wie­der auf mich zu.
Er gab mir einen Zet­tel mit sei­ner Tele­fon­num­mer, bat mich, ihn anzu­ru­fen und ver­schwand wie­der. 
Ich habe mich nicht mit ihm getrof­fen, habe sei­ne Tele­fon­num­mer aber 3 Jah­re lang auf­ge­ho­ben.

Die nächs­ten Tage in New York waren sehr skur­ril. Es gab eine Bom­ben­dro­hung, als wir in der Sub­way waren. Durch den Trüm­mer­staub war die Sicht ein­ge­schränkt und alles wirk­te sehr gespens­tisch. 

Eini­ge Tage spä­ter gin­gen wir bis zu den Absper­run­gen und sahen die Bus­se mit den über­mü­de­ten Hel­fern vor­bei­fah­ren. Wir sahen wei­nen­de und ver­stör­te Men­schen und ein rie­si­ges Blu­men­meer mit Krän­zen, Ker­zen und Schrift­rol­len für die Ver­un­glück­ten des 11. Sep­tem­bers.

Meine Mutter und die Demenz

Durch die frü­he­ren Erleb­nis­se mit mei­nem Vater geprägt, ging mei­ne Mut­ter nie wie­der eine Bezie­hung mit einem Mann ein. 

Sie hat­te eine Freun­din, mit der sie zusam­men reis­te und regel­mä­ßi­gen Kon­takt zu mir. 
Ihr gelang es nicht, die alten Erfah­run­gen zu trans­for­mie­ren und sie hat­te star­ke, chro­ni­sche Schmer­zen. Sie wur­de ver­gess­li­cher.

Nach eini­gen Jah­ren mach­ten wir uns auf, in die Spe­zi­al­am­bu­lanz für Gedächt­nis­stö­run­gen im UKE. Sie war sehr auf­ge­regt.
Zu die­sem Zeit­punkt war die Demenz bereits fort­ge­schrit­ten. 

Es folg­ten die Bean­tra­gung von Pfle­ge­stu­fen, was am Anfang sehr beschwer­lich war. Denn wenn die Gut­ach­ter zu mei­ner Mut­ter nach Hau­se kamen, war sie „plötz­lich“ total klar und die Pfle­ge­stu­fe wur­de nicht geneh­migt. Ein Phä­no­men, was häu­fig bei Demenz­kran­ken in der ers­ten Pha­se auf­tritt. 

Ich las bestimmt 6 Bücher über Demenz, um sie best­mög­lich zu unter­stüt­zen. Es war ein inten­si­ver Weg für uns bei­de.

Mei­ne Hil­fe war irgend­wann nicht mehr aus­rei­chend. Die Bedie­nung der Wasch­ma­schi­ne war nicht mehr mög­lich und das Tele­fon war stän­dig „besetzt“, weil sie damit nicht mehr umge­hen konn­te.

Essens­zei­ten wur­den ver­ges­sen und ich enga­gier­te „Essen auf Rädern“ und eine Pfle­ge­kraft, die 2x pro Tag für die Medi­ka­men­ten­ver­ga­be vor­bei­kam. 3x pro Woche wur­de sie abge­holt zur Tages­pfle­ge.

Spä­ter war der Schlaf-Wach-Rhyth­mus gestört und sie rief mich nachts an und saß ange­zo­gen mit Müt­ze auf ihrem Bett. 

In die­ser Zeit küm­mer­te ich mich bereits um alle schrift­li­chen Ange­le­gen­hei­ten und hielt Ihre Woh­nung sau­ber. Ich war damals mach­mal über­for­dert. Der Aus­tausch mit Part­ner und Freun­den half mir. 

Ein Bekann­ter erzähl­te von einer Demenz-WG, die neu eröff­net wer­den soll­te und ich hat­te das Glück, dass sie dort einen Platz bekam. 

Sie bekam ihr eige­nes Zim­mer und es gab einen gro­ßen, offe­nen Wohn­be­reich mit klei­nem Gar­ten, jede Men­ge krea­ti­ver Akti­vi­tä­ten und sie wur­de zusam­men mit 7 wei­te­ren Demenz­kran­ken lie­be­voll und wert­schät­zend betreut.
Die­se Ein­rich­tung war 5 Minu­ten von mei­nem dama­li­gen Arbeits­platz, der Spar­da-Bank Ham­burg ent­fernt und so besuch­te ich sie häu­fig in mei­ner Mit­tags­pau­se. 

Wir saßen dann zusam­men im Gar­ten, spiel­ten „ich sehe was, was Du nicht siehst“ und die ande­ren Demenz­kran­ken spiel­ten begeis­tert mit, da sie mei­ne Ener­gie lieb­ten. Es wur­de sel­ten etwas erra­ten, aber dar­um ging es auch gar nicht. Wir hat­ten eine gemein­sa­me Auf­ga­be, konn­ten zusam­men lachen, Spaß haben und den Moment genie­ßen. 

Sonn­tags tra­fen wir uns mit allen Ange­hö­ri­gen in der WG und mein Mann spiel­te Gitar­re und wir san­gen dazu.

Sie sprach immer wie­der von New York und dass sie unbe­dingt noch­mal dort­hin woll­te. So fass­te ich den Ent­schluss, ihr die­sen Wunsch zu erfül­len und wir flo­gen zu Dritt los. 

In einem Roll­stuhl fuh­ren wir mit ihr quer durch New York und auch die Ver­wandt­schaft freu­te sich, sie noch­mals wie­der­zu­se­hen. 

Eine gro­ße Über­ra­schung war, als ich vor Tiffany´s, 5th Ave­nue einen Hei­rats­an­trag bekam. Danach durf­te ich mir dort einen Ring aus­su­chen.

Auf der Hoch­zeit sah sie sehr hübsch aus in ihrem grau­en Anzug. Sie war lan­ge mit dabei und hat spä­ter sogar getanzt. 
Zwi­schen­durch hat sie ver­ges­sen war­um wir eigen­tilch fei­er­ten, doch die aus­ge­las­se­ne Stim­mung über­trug sich auf sie und wir haben sie immer lie­be­voll mit ein­be­zo­gen.

Unser aus­ge­präg­ter Humor und bedin­gungs­lo­ses Mit­ge­fühl haben uns unent­wegt durch alle noch so auf­wüh­len­den Situa­tio­nen beglei­tet.

Nähe- und Distanzverhalten: Meine Mutter vor unserer Hochzeit

Wir nah­men sie häu­fig mit zu Thea­ter- oder Kon­zert­be­su­chen. Auch wenn sie die Hand­lung nicht mehr ver­stand, war sie immer begeis­tert mit dabei, beson­ders Musik lieb­te sie. 

Ein­mal saßen wir wie­der beim Phan­tom der Oper in der 2. Rei­he. Wir hat­ten das Musi­cal bestimmt schon 5x gese­hen. Mei­ne Mut­ter war hap­py und pfiff sofort über­schwäng­lich zur Musik mit. Ich konn­te sie dazu bewe­gen, etwas lei­ser mit zu sum­men.
Dazu brauch­te ich jede Men­ge Geduld und einen lan­gen Atem, da sie das Gesag­te ja sofort wie­der ver­gaß und fröh­lich wei­ter träl­ler­te.

Wir gin­gen zusam­men Eis­essen, das lieb­te sie und wenn ich sie füt­ter­te, dann beein­träch­tig­te das unse­re Stim­mung ganz und gar nicht. Wir hat­ten viel Freu­de an unse­rem Zusam­men­sein, obwohl damals kaum noch ver­ständ­li­che Kom­mu­ni­ka­ti­on statt­fin­den konn­te.

Unse­re ganz eige­ne Spra­che fand durch Mimik und Ges­tik statt und ich schaff­te es irgend­wie immer, sie zum lachen zu brin­gen. Das waren für mich beson­ders berüh­ren­de Momen­te.

Danach folg­ten Kran­ken­haus­auf­hal­ten­te und mei­ne Mut­ter benö­tig­te stär­ke­re Pfle­ge­hil­fe, die ich dort nicht mehr bezah­len konn­te. 

Wir, die Ange­hö­ri­gen-Gemein­schaft hat­ten eine GbR gegrün­det und beschäf­tig­ten einen exter­nen Pfle­ge­dienst, der von den Kos­ten her nicht gede­ckelt war. 

Wir zogen also um ins The­ra­pie­zen­trum am Weh­bers Park was 5 Minu­ten fuß­läu­fig von mei­ner dama­li­gen Woh­nung ent­fernt lag.
Ich war regel­mä­ßig in der Ein­rich­tung und hat­te engen Kon­takt zu den enga­gier­ten und lie­be­vol­len Mitarbeiter/innen.
Mei­ne Hoch­ach­tung an die­ser Stel­le.

Es folg­ten Jah­re, in denen sie im Roll­stuhl saß und mich nicht mehr erkann­te. Das war am Anfang schwer für mich. 

Dann gab es Momen­te, wo das gesam­te Haus eine Weih­nachts­fei­er ver­an­stal­te­te, zu der ich spä­ter dazu­kam. 
Ich blick­te in die gro­ße Run­de von Men­schen und such­te sie.
Plötz­lich wink­te mir jemand von wei­tem zu: Mei­ne Mut­ter. Sie hat­te mich erkannt. 

Es war selbst­ver­ständ­lich, dass sie immer gut geklei­det war, denn das war ihr frü­her wich­tig. So sah sie immer ganz zau­ber­haft aus, mit über 80 Jah­ren in Jeans, Hoo­die und leich­ten Nike-Turn­schu­hen, wenn wir gemein­sam mit dem Roll­stuhl los zogen.

Sie war beliebt beim Pfle­ge­per­so­nal, weil sie fast immer strahl­te.
In der Demenz konn­te sie glück­lich sein und den Moment genie­ßen. Denn mehr hat­te sie nicht.

Nach 5 Jah­ren ent­schloss ich mich, beruf­lich nach Öster­reich zu gehen, um dort Men­schen psy­cho­lo­gisch im Rah­men einer Aus­zeit zu unter­stüt­zen.
Ich hat­te bereits neben mei­nem Voll­zeit­job ent­spre­chen­de Aus- und Wei­ter­bil­dun­gen absol­viert und woll­te nun end­lich mei­ner Beru­fung fol­gen, da mich mei­ne Tätig­keit in einer Bank nicht mehr erfüll­te.

Das brach­te einen Pro­zess in Gang, da es gro­ße Ver­än­de­run­gen mit sich brin­gen wür­de.

Mei­ne Mut­ter und ich waren eng ver­bun­den und ich hat­te immer das Gefühl, dass sie spür­te, wenn ich bei ihr war. Der Abschied war irgend­wie unwirk­lich. 

Genau 3 Mona­te spä­ter bekam ich nachts einen Anruf aus dem UKE, dass mei­ne Mut­ter ein­ge­lie­fert wur­de und der Ster­be­pro­zess bereits begon­nen hat­te. 

Mei­ne Mit­be­woh­ne­rin buch­te einen Flug für mich, da ich zu auf­ge­regt war und ich flog noch am sel­ben Tag zurück nach Ham­burg. 

Ich habe es noch recht­zei­tig geschafft und ich durf­te die letz­ten 5 Stun­den gemein­sam mit ihr ver­brin­gen. Sie war nicht mehr ansprech­bar, doch ich konn­te neben ihr lie­gen und ihre Hand hal­ten.

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Eine Liebesgeschichte. Wie alles begann 

Mei­ne Eltern hat­ten bis zu mei­ner Geburt schon mehr als ihr hal­bes Leben gelebt. Mei­ne Mut­ter war 43 Jah­re, mein Vater 54 Jah­re alt. 

Mein Vater hat­te bereits eine Ehe mit 2 Kin­dern hin­ter sich und war lan­ge Zeit bei der Mari­ne und wäh­rend des 2. Welt­krie­ges in U‑Booten und auf Zer­stö­rern, was mei­ne Lie­be zu Schif­fen erklärt. 

Er war in jün­ge­ren Jah­ren ein bekann­ter Fuß­ball­spie­ler sei­ner Regi­on und Boxer. 

Mei­ne Mut­ter hat im 2. Welt­krieg als jun­ges Mäd­chen die Flucht mit­er­lebt und ist spä­ter auf einem Aus­wan­de­rer­schiff mit Mil­lio­nen ande­rer Deut­sche von Ham­burg in die USA aus­ge­wan­dert. 

Dort begann ihr “rich­ti­ges Leben” und sie genoss ca. 20 Jah­re in New York Ihre Frei­heit.

Sie waren viel in der Metro­po­li­ten Ope­ra und es gab ein berüh­ren­des Foto, wo mei­ne Mut­ter neben ihrem schwu­len Freund im Cabrio sitzt und bei­de Händ­chen hal­ten. Sie waren Soul­ma­tes und eng ver­bun­den.
Ihr dama­li­ger Freund saß auf dem Rück­sitz. Für ihn war das völ­lig okay. 

Mit Anfang 40 ent­schied sie sich, nach Deutsch­land zurück­zu­keh­ren, da es ihren Eltern gesund­heit­lich nicht gut ging.
So begann die Lie­bes­ge­schich­te mei­ner Eltern. 

Mei­ne Mut­ter und mein Vater lern­ten sich in Elms­horn (Nähe Ham­burg) bei Gene­ral Foods ken­nen, einem gro­ßen US-Nah­rungs­mit­tel­kon­zern (spä­ter Kraft Foods/Philip Mor­ris Kon­zern).

Sie war dort im Vor­stands­be­reich als Fremd­spra­chen-Kor­re­spon­den­tin tätig. Auf­grund ihrer guten Eng­lisch­kennt­nis­se war sie bei den Ver­trags­ver­hand­lun­gen dabei, die zwi­schen den deut­schen und US-Vor­stän­den in Ham­burg statt­fan­den.

Mein Vater lei­te­te eine Pro­duk­ti­ons­ab­tei­lung in die­sem Unter­neh­men mit ca. 100 Mit­ar­bei­tern, fast aus­schließ­lich Frau­en. 
Mei­ne Mut­ter erzähl­te mir spä­ter, dass vie­le Frau­en in ihn ver­liebt waren und eifer­süch­tig, als sie mit­be­ka­men, dass die bei­den ein Paar wur­den.

Mein Vater war ein attrak­ti­ver, dun­kel­haa­ri­ger Mann, elo­quent und humor­voll.
Er ging immer zu Fuß zur Arbeit, um den Weg nach Hau­se zum Abschal­ten zu nut­zen. Irgend­wann sah er mei­ne Mut­ter vor sich gehen, die ihm schon in der Fir­ma auf­ge­fal­len war, wenn er hoch ins Vor­stands­se­kre­ta­ri­at muss­te. 

Eine blon­de, schlan­ke und zar­te Per­sön­lich­keit, zumeist im adret­ten Etui­kleid. Sie hat­te eine freund­li­che, natür­li­che Aus­strah­lung und eine leicht zurück­hal­ten­de Art. 

Die­se Frau fas­zi­nier­te ihn total und eines Tages pass­te er sie heim­lich nach Fei­er­abend ab und folg­te ihr in eini­gem Abstand. 
Er stell­te über­rascht fest, dass sie im glei­chen Häu­ser­block wohn­ten.

Sie war ihm noch nie begeg­net und sie hat­te ande­re Arbeits­zei­ten als er. 
Nun wuss­te er mehr und bekam nach und nach ihre Dienst­zei­ten her­aus. Er folg­te ihr häu­fi­ger in eini­gem Abstand, da sie ja sowie­so in die glei­che Rich­tung muss­ten. 

Nach vie­len Wochen war es dann soweit. Er sprach sie end­lich mit klop­fen­den Her­zen an. 

Mei­ne Mut­ter war anfangs sehr zurück­hal­tend, aber mein Vater blieb hart­nä­ckig, ließ sei­nen Charme spie­len und er tat alles dafür, sei­nen Dienst so abzu­stim­men, dass er mit mei­ner Mut­ter zusam­men nach Hau­se gehen konn­te. 

Nach eini­gen Mona­ten dann, auf dem gemein­sa­men Nach­hau­se­weg des inten­si­ven Aus­tau­sches, bei dem sie viel zusam­men lach­ten — lud er sie end­lich auf einen Kaf­fee ein und der Rest ist Geschich­te. 

Mei­ne Mut­ter wur­de nach einem hal­ben Jahr schwan­ger und mei­ne Eltern hei­ra­te­ten. 

Ich bin mei­nen Eltern zutiefst dank­bar. Sie haben mir alles gege­ben, was sie mir geben konn­ten und ich durf­te durch sie mei­ne Lebens­auf­ga­be erken­nen. Dan­ke von Her­zen, ihr wun­der­ba­ren Men­schen.

6 Kommentare zu „Nähe- und Distanzverhalten“

  1. Ich möch­te mei­ne auf­rich­ti­ge Aner­ken­nung für die intel­lek­tu­el­le Raf­fi­nes­se dei­nes Blogs aus­spre­chen. Dei­ne Fähig­keit, abs­trak­te Kon­zep­te auf eine anschau­li­che Wei­se dar­zu­stel­len, hebt ihn in der Welt des Online-Con­tents her­vor.

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